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Ausgewählte Wirkmechanismen der Adipositasentstehung

Artikel vom 17.04.2025

Pommes frites, Chips, Schokolade, Nuss-Nougat-Creme und Co. Lebensmittel, die aus dem Alltag vieler Deutscher nicht mehr wegzudenken sind. Die Industrie ist riesig, die Nachfrage auch. Doch wie wirkt unser Essverhalten eigentlich auf unseren Organismus? Und was hat es mit Übergewicht zu tun?

„Nahrung die schadet, Nahrung die heilt“ (Biesalski & Klaeger, 2000). So heißt ein bekannter Ratgeber, der versucht, gesunde Ernährung schlüssig zu erklären. Es gibt viele solcher Ratgeber auf dem Markt. Manche mit gutem Inhalt, manche vielleicht auch irreführend, aber eines haben sie gemeinsam. Sie machen deutlich: Essen ist leider nicht immer nur Genuss. Essen kann auch schaden und vor allem eines: Bestimmte Lebensmittel können Übergewicht begünstigen (Askari et al., 2020). Die Ursachen für Übergewicht sind vielfältig und umfassen genetische Veranlagung, Lebensstil und Umweltfaktoren. Der Ernährung kommt jedoch sowohl bei der Entstehung als auch bei der Behandlung von Übergewicht eine Schlüsselrolle zu. Im Folgenden werden anhand ausgewählter Beispiele die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Adipositas beleuchtet und Implikationen für die Praxis abgeleitet.

Ernährung kann auf vielfältige Weise auf unseren Organismus einwirken. Sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene. Auf der körperlichen Ebene wirkt Nahrung zum Beispiel als Energie- und Nährstofflieferant, so sorgt Glukose unter anderem dafür, dass unser Gehirn mit Zucker versorgt wird. Ohne diese Form des Zuckers könnten wir uns nur schlecht konzentrieren und es könnte zu Schwindel und Krampfanfällen kommen (Cacciatore et al., 2022). Vielleicht kennen Sie diesen Effekt auch in Form von Heißhunger auf süße Speisen nach Stresssituationen? Oder die Kopfschmerzen und Schwierigkeiten, die man hat, wenn man längere Zeit nichts gegessen hat?

So könnte man an sich sagen, dass Glukose an sich ein nützliches Nahrungsmittel ist. Aber schon bei ihr zeigen sich die ersten Auswirkungen von Nahrungsmitteln, die auch schaden können. Getreu dem Motto „Viel hilft nicht immer viel“ kann ein übermäßiger Verzehr von glukosehaltigen Lebensmitteln auch zu Übergewicht und zum metabolischen Syndrom führen. Die Glukose lagert sich in der Leber ab und es kann zu einer nichtalkoholischen Fettleber kommen. Gleiches gilt für andere Zuckerarten, wie z. B. zugesetzte Fruktose (Aoun et al., 2022). Es muss aber auch erwähnt werden, dass dieser Effekt nicht bei jedem Menschen zu Übergewicht führen muss. Unser Organismus ist individuell und somit auch die Prävalenz, auf bestimmte Nahrungsmittel mit Fettspeicherung zu reagieren. So können auch äußerlich schlanke Menschen eine nichtalkoholische Fettleber entwickeln.

Übermäßige Nahrungszufuhr als Treiber für Übergewicht

Häufig liegt der Gewichtszunahme eine positive Energiebilanz zugrunde, d. h. es wird über einen längeren Zeitraum mehr Energie aufgenommen als verbraucht (Hill et al., 2010). Die überschüssigen Kalorien werden vom Körper in Form von Fett gespeichert, was mit der Zeit zu Übergewicht führt. Übermäßige Nahrungsaufnahme gilt als Hauptursache für die meisten Fälle von Adipositas (Jiao, 2023). Verschiedene Faktoren machen es heutzutage leicht, schnell und unbewusst viele Kalorien aufzunehmen. Vor allem hochverarbeitete Lebensmittel sind von der Forschung schon lange als Treiber für Übergewicht identifiziert worden. Sie sind oft reich an Zucker, ungesunden Fetten und Salz. Eine perfekt aufeinander abgestimmte Zutatenmischung, die es schwer macht, satt zu werden. Die Stimulation des Belohnungssystems kann sogar zu einer Sucht nach diesen Lebensmitteln führen (Gearhardt & DiFeliceantonio, 2022). In einer kontrollierten Studie aßen Probanden bei einer Ernährung mit stark verarbeiteten Lebensmitteln automatisch etwa 500 kcal pro Tag mehr als bei einer Ernährung mit unverarbeiteten Lebensmitteln, was zu einer Gewichtszunahme von 2 kg in zwei Wochen führte (Hall et al., 2019).

Lebensmittel wirken auch im Gehirn

Meist werden diese Lebensmittel schneller gegessen, sättigen weniger oder beeinflussen das Hunger-Sättigungs-System. Dabei wirken Lebensmittel auf vielfältige Weise. So wird zum Beispiel auch unser Gehirn angesprochen und verändert. Wie oben bereits erwähnt, z. B. über das Belohnungssystem. Glückshormone wie Dopamin werden ausgeschüttet und das Verlangen nach dem belohnenden Lebensmittel steigt (Thanarajah et al., 2023). Vielleicht kennt man das Phänomen vom Eis bei Liebeskummer oder vom Kuchen als Belohnung nach einer schwierigen Situation?

Aber eine ungesunde Ernährung kann auch den Insulinspiegel im Gehirn beeinflussen, wie eine aktuelle Studie zeigt. So wurde ein Zusammenhang zwischen einer Ernährungsumstellung und der Insulinempfindlichkeit festgestellt. Probanden, die ihre normale Ernährung um hochverarbeitete Lebensmittel (zusätzlich 1500 kcal/d) ergänzten, zeigten im MRT einen erhöhten Fettgehalt der Leber sowie eine verminderte Insulinempfindlichkeit. Es wird vermutet, dass dieser Effekt bereits vor der Gewichtszunahme auftritt und somit dem Übergewicht vorausgeht (Kullmann et al., 2025).

Der Mensch ist was er isst (und wie er isst)

Aber nicht nur was wir essen, sondern auch wie wir essen, beeinflusst uns. Unregelmäßige Mahlzeiten, ständige Zwischenmahlzeiten (Snacks) und sehr späte Mahlzeiten können sich negativ auf die Energiebilanz auswirken. So gibt es Hinweise darauf, dass spätes Essen am Abend das Risiko einer Gewichtszunahme erhöht, vermutlich weil es den zirkadianen Rhythmus und die Hungerhormone ungünstig beeinflusst (Vujović et al., 2022). Außerdem kann unaufmerksames Essen, z. B. vor dem Fernseher, dazu führen, dass das Gefühl für die verzehrten Mengen verloren geht. Man isst meist unbewusst und schon ist die Chipstüte leer, ohne dass man es bemerkt hat. Auf psychologischer Ebene darf aber auch das emotionale Essen als wichtiger Mechanismus nicht vergessen werden. Wie bereits erwähnt, kann Essen als Seelentröster dienen und auch das Essen aus Heißhunger ist ein weit verbreitetes Phänomen (Jiao, 2023). Ein bewusstes, achtsames Essverhalten, regelmäßige Mahlzeiten möglichst ohne Ablenkung und Essen nur bei körperlichem Hunger können helfen, die Kalorienzufuhr besser zu kontrollieren.

Fazit

Eine ungesunde, kalorienreiche Ernährung begünstigt die Entstehung von Übergewicht, während eine gezielte Ernährungsumstellung der Schlüssel zur Gewichtsreduktion und zur Verbesserung der Gesundheit ist. Aus unserer Sicht zeigt sich täglich, welchen großen Unterschied eine nachhaltige Veränderung der Essgewohnheiten machen kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern unsere praktischen Erfahrungen: Ein moderates Kaloriendefizit, erreicht durch eine individuell angepasste, qualitativ hochwertige Ernährung, führt zu einer klinisch relevanten Gewichtsabnahme. Unterstützende Maßnahmen wie Verhaltensänderungen, regelmäßige Beratung und Bewegung erhöhen die Erfolgsquote.


Quellen

  • (1) Aoun, R., Chokor, F. A. Z., Taktouk, M., Nasrallah, M., Ismaeel, H., Tamim, H. & Nasreddine, L. (2022). Dietary fructose and its association with the metabolic syndrome in Lebanese healthy adults: a cross-sectional study. Diabetology & Metabolic Syndrome, 14(1). doi.org/10.1186/s13098-022-00800-5
  • (2) Askari, M., Heshmati, J., Shahinfar, H., Tripathi, N. & Daneshzad, E. (2020). Ultra-processed food and the risk of overweight and obesity: a systematic review and meta-analysis of observational studies. International Journal Of Obesity, 44(10), 2080–2091. doi.org/10.1038/s41366-020-00650-z
  • (3) Biesalski, H. & Klaeger, C. (2000). Nahrung die schadet, Nahrung die heilt.
  • (4) Cacciatore, M., Grasso, E. A., Tripodi, R. & Chiarelli, F. (2022). Impact of glucose metabolism on the developing brain. Frontiers in Endocrinology, 13. doi.org/10.3389/fendo.2022.1047545
  • (5) Föller M., Makronährstoffe, In: Föller M., Stangl, G. I. (Hrsg.), Ernährung – Physiologische und Praktische Grundlagen (Springer Spektrum, 2021, S. 33 ff.)
  • (6) Gearhardt, A. N. & DiFeliceantonio, A. G. (2022). Highly processed foods can be considered addictive substances based on established scientific criteria. Addiction, 118(4), 589–598. doi.org/10.1111/add.16065
  • (7) Hall, K. D., Ayuketah, A., Brychta, R., Cai, H., Cassimatis, T., Chen, K. Y., Chung, S. T., Costa, E., Courville, A., Darcey, V., Fletcher, L. A., Forde, C. G., Gharib, A. M., Guo, J., Howard, R., Joseph, P. V., McGehee, S., Ouwerkerk, R., Raisinger, K., ... Zhou, M. (2019). Ultra-Processed Diets Cause Excess Calorie Intake and Weight Gain: An Inpatient Randomized Controlled Trial of Ad Libitum Food Intake. Cell Metabolism, 30(1), 67-77.e3. doi.org/10.1016/j.cmet.2019.05.008
  • (8) Hill, J. O., Wyatt, H. R. & Peters, J. C. (2013). The Importance of Energy Balance. touchREVIEWS in Endocrinology, 9(2), 111. pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6003580
  • (9) Jiao, J. (2023). The Role of Nutrition in Obesity. Nutrients, 15(11), 2556. doi.org/10.3390/nu15112556
  • (10) Kullmann, S., Wagner, L., Hauffe, R., Kühnel, A., Sandforth, L., Veit, R., Dannecker, C., Machann, J., Fritsche, A., Stefan, N., Preissl, H., Kroemer, N. B., Heni, M., Kleinridders, A. & Birkenfeld, A. L. (2025). A short-term, high-caloric diet has prolonged effects on brain insulin action in men. Nature Metabolism. doi.org/10.1038/s42255-025-01226-9
  • (11) Thanarajah, S. E., DiFeliceantonio, A. G., Albus, K., Kuzmanovic, B., Rigoux, L., Iglesias, S., Hanßen, R., Schlamann, M., Cornely, O. A., Brüning, J. C., Tittgemeyer, M. & Small, D. M. (2023). Habitual daily intake of a sweet and fatty snack modulates reward processing in humans. Cell Metabolism, 35(4), 571-584.e6. doi.org/10.1016/j.cmet.2023.02.015
  • (12) Vujović, N., Piron, M. J., Qian, J., Chellappa, S. L., Nedeltcheva, A., Barr, D., Heng, S. W., Kerlin, K., Srivastav, S., Wang, W., Shoji, B., Garaulet, M., Brady, M. J. & Scheer, F. A. (2022). Late isocaloric eating increases hunger, decreases energy expenditure, and modifies metabolic pathways in adults with overweight and obesity. Cell Metabolism, 34(10), 1486-1498.e7. doi.org/10.1016/j.cmet.2022.09.007